Darf sich mein Hund noch bewegen?

Was soll die blöde Frage, werdet ihr denken. Natürlich darf er?

Ahhh, mir geht da manchmal die Hutschnur hoch, wenn man im Netz diverse Videos findet und dann die Kommentare darunter liest. Lauter Experten, die da ihren Senf dazugeben. Lauter Menschen, die bestimmt alles wissen, die das Thema Hund in einem jahrelangen Lehrgang studiert haben und von Nasenbeule bis Schwanzzipfel jedes Haar beim Dog gezählt haben. Ich meine, ja, es gibt verschiedene Meinungen, jeder sieht gewisse Dinge etwas anders. Ist ja auch ganz logisch, weil jeder einen anderen Hund besitzt. Ich werde einen Bulldogge wohl kaum vor einen Schlitten spannen, wie ich auch wohl kaum einen Cockerspaniel zum Hüten von Schafen verwenden werde. Ein Pudel wird sich als Polizeihund etwas schwer tun und aus einem Rottweiler des schnellsten AG Hund machen zu wollen, wird wohl eine Illusion bleiben.

Aber was mir manchmal so unterkommt … da muss ich mir doch mal an den Schädel greifen. Irgendwo war da ein Video, wo ein Hund mit seinem Herrl neben dem Mountainbike durch den Wald schoss …

Fahrradfahren mit dem Hund ist verboten. Ja, dieses behinderte Gesetz gibt es in Österreich wirklich. Man darf den Hund nicht am Rad mitführen, freilaufen lassen, was ginge, darf man ihn aber auch nicht, weil …. Die Gründe, warum sich ein Hund nicht mehr bewegen darf, sind vielfältig. Es wird ihm zu heiß, es belastet die Gelenke, er kann dann nicht schnüffeln, er rennt zu schnell, vielleicht doch zu langsam, er darf nicht zu viel rennen, weil das bedeutet Stress, der Hund schläft dann zu wenig, der braucht viel Schlaf … und langsam wird mit dieser ausgemalte Mist zu viel. Es ist klar, dass ich mit einem fünf Monate alten Hund, der Rasse „Hund, der gern läuft“, also nicht einer, der sowieso keine Luft bekommt (Franz. Bulldogge, Mops), oder sowieso zu kurze Beine hat (Welsh Corgi, Basset), oder der durch das Schwergewichtsdasein seinen Körper sowieso nicht in die Gänge bringt (Bernhardiner, Bullmastiff), keine Dauerfahrradtour machen sollte. Es gibt Hunde, die gern laufen. Jagdhunde, Schlittenhunde, Windhunde, Hütehunde, alles, was gerade, lange Läufe hat, groß genug ist, nicht durch übermäßigen Körperbehang behindert wird und nicht zu schwer ist, bewegt sich gerne. Ja, es mag Hunde geben, die bewegen sich nicht so gerne, nicht weil sie einer bestimmten Rasse angehören, sondern weil es einfach faule und bequeme Hunde gibt. Auch übergewichtige Hunde wollen sich vielleicht nicht mehr viel bewegen, weil sie ihr ganzes überschüssiges Fett mit rumzerren müssen. Aber es gibt Hunde, die laufen für ihr Leben gerne und das viel, schnell und ausdauern. Sonst wären Schlittenhunderennen genauso wie Windhunderennen wohl kaum möglich. Wie man diese Hunde bespaßt und sich mit ihnen bewegt, bleibt ja jedem selbst überlassen. Der eine spannt seinen Hund vor das Fahrrad oder Scooter (überdies, wenn Fahrradfahren verboten ist, warum ist das Scooter fahren erlaubt … manchmal verstehe ich das nicht). Der nächste nimmt regelmäßig an Hunderennen teil, was für Windhunde eine absolute Herausforderung ist. In anderen Ländern werden diese Hunde sogar zur Jagd auf Hasen eingesetzt, was durchaus ihrer Natur entspricht. Andere lassen ihre Hunde hinterm Auto herlaufen, wieder andere jagen ihren Hund durch den AG Parcours, andere binden sich ihn vor den Bauch und gehen joggen. Die Bandbreite ist vielfältig und die meisten Hunde sind mit Begeisterung dabei. Zu laufen, liegt in deren Natur, denn zur Jagd gehört auch das Laufen. Wölfe hetzen oft über langen Strecken, bis sie ihre Beute erwischen. Das dient deren Überleben, denn ohne Essen verhungern sie. Beute stellt sich aber nicht freiwillig hin und sagt: Bitte, töte mich!“ Die läuft leider weg, also muss man sie fangen. Also laufen auch Wölfe viel und schnell. Jetzt daherzukommen und zu erklären, das Laufen wäre für den Hund schlecht, weil die Gelenke leiden … wie zum Henker hat dann der Wolf überlebt? Bei dem schreit niemand nach den Gelenken. Der läuft und wenn er nicht mehr kann, wenn er sich die Knochen bricht, ist das sein sicheres Todesurteil. Ende der Geschichte.

Hunde brauchen eine Aufwärm- und Abkühlphase … habe ich auch schon gehört. Versuch mal ein Gespann aufzuwärmen, wenn du die Geschirre in die Hand nimmst. Die sind von null auf hundert in wenigen Sekunden. Die Startgeschwindigkeit ist hoch und so nebenbei … hat der Wolf eine Beute gesichtet, macht er auch nicht zehn Liegestützen, fünf Situps und fünfzehn Luftsprünge, um sich aufzuwärmen. Auch der ist von null auf hundert in wenigen Sekunden, weil ihm sonst seine Beute wieder wegläuft. Ist die Jagd erledigt, die Beute tot, kann er immer noch abkühlen, was er wohl auch macht. Auch Schlittenhunde legen sich gerne in den Schnee, um abzukühlen und jeder sollte den Verstand haben, dass man bei 30 Grad Außentemperatur weder mit dem Hund joggen, Radfahren noch Gespannfahren geht. Dazu braucht es kein Verbot, sondern Hirn. Aber in Übergangszeiten oder im Winter kann man ganz problemlos mit dem Hund laufen, egal, in welcher Form. Man wird wohl hoffentlich auch das Hirn haben bzw. die Augen, um zu erkennen, wenn Hund nicht mehr kann. Wer das nicht hat … naja, dann stimmt was mit der Wahrnehmung nicht. Aber es ist nicht so, dass ein Hund ständig schnuppern muss, Ruhe braucht, um zu pinkeln und zu scheißen oder langsam gehen muss, damit er seine Umgebung wahrnehmen kann. Windhunde hetzen in kürzester Zeit im rasenden Tempo eine imaginäre Beute. Dafür sind sie gemacht. Ein Iditarodrennen wäre nicht möglich, wenn es die Schlittenhunde nicht gäbe. Diese Hunde laufen bei diesem Rennen 1800 km. Der Rekord liegt bei acht Tagen und ein paar Stunden. Das heißt, diese Hunde laufen an die 200 Km am Tag, bei widrigen Verhältnissen, denn das Wetter kann man sich nicht aussuchen und in Alaska ist es arschkalt. Viele Iditarodteilnehmer starten  an mehreren Rennen, nicht nur in einer Saison, sondern jedes Jahr und die Dogs sind mit dabei. Nicht etwa immer andere, oft dieselben. Also bringt so einen Hund das nicht um und ich glaube nicht, dass diese Hunde nach dem Rennen eine Couch brauchen, um ihren Stress aufzuarbeiten. Und wer glaubt, dass diese Hunde ein nettes Dauerlauftempo an den Tag legen, der soll sich mal ausrechnen, wie viel 200 km am Tag sind und wie lange man dafür braucht. Denn auch diese Hunde brauchen Schlafzeiten und Fresszeiten.

Unsere Hunde begleiten uns oft bei ewig langen Ausritten und halten es locker durch. Nach kurzer Zeit und viel Wasser könnten sie die nächsten Kilometer starten. Bei mir landete noch kein Hund auf der Couch, Psyche und Gelenke haben bisher gehalten.

Ich kann den Quatsch, Hunde brauchten mindestens zwanzig Stunden Schlaf und sonst nur stressfreie Bewegung, echt nicht mehr hören. Welche Wissenschaft steckt da dahinter? Hunde schlafen viel, weil sie so ihre Zeit vertrödeln, da Menschen nicht mehr Zeit aufbringt, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Was soll denn der Hund machen, wenn Herrli und Frauli gerade im Homeoffice arbeiten oder anderweitig unterwegs sind? Die Bude zerlegen oder den Garten neu gestalten? Dann heißt es doch wieder: Der Hund ist unausgelastet. Bewegt man ihn dann, heißt es, zu viel Stress, ja was nu?

Ich komme aus einer Zeit,  da waren noch viele Hundebesitzer draußen unterwegs. Ohne Leine und ohne Beißkorb. Die Hunde haben sich getroffen, gingen weiter und man hat ewig lange Radtouren unternommen, lange Wanderungen, hat den Hund beim Pferd mitgenommen oder sonst was angestellt. Niemand hat sich beschwert. Heute ist alles nicht mehr recht. Egal, was der ein oder andere mit seinem Hund macht, es wird sich jemand finden, der etwas auszusetzen hat. Ist er nicht an der Leine, wird geschrien. Trägt er keinen Beißkorb … ja, um Gottes Willen. Geht man Radfahren, ahhhhh, verboten, lässt man sich ziehen … Tierquälerei, der arme Hund, läuft der Hund im Wald frei und düst hinter einem Reh her … ahhhh, das arme, arme verängstigte Reh und der böse Hundebesitzer … sagt mal, habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Manchen ist mit ihrer Weisheit echt nicht zu helfen. Aber wie viele Hunde nur zuhause rumsitzen, gerade mal den Garten kennen, kugelrund gefüttert werden, sich benehmen, als hätte sie die Welt gepachtet, von denen redet niemand. Ob das jetzt richtig ist, weiß ich nicht, denn selbst wenn sich Kinder mit ihrem Hund beschäftigen, wird ja schon gekreischt, von wegen Kinder lässt man mit Hunden nicht allein, sie könnten gefressen werden.

Hunde sind gern unterwegs und Hunde, die durchaus zu Laufhunden zählen, wollen auch mal richtig rennen. Wer keinen Bock darauf hat, sollte sich einen verzüchteten Rollmops zulegen, der keine Luft bekommt, ihn rund füttern, damit er seine Beine nur noch dazu verwendet, von einem Liegeplatz zum nächsten zu kommen, und dann bei denen mitdiskutieren, die einen Hunde besitzen, der locker zwanzig Kilometer durchfetzt, ohne auch nur mit der Schwanzspitze zu zucken. Kommt sicher gut.