Man hört es in letzter Zeit immer öfter und kann es auch in Sozial Networks immer mal wieder finden. „Hund hat tragendes Reh gerissen“, „Hunde haben Reh zu Tode gehetzt“, „Hunde haben auf grausame Art eine Rehmutter getötet“ und, und, und.
Darunter theatralische Texte, wie arm denn die Rehmutter und ihre ungeborenen oder schon geborenen Kitze sind, wie brutal das Vorgehen der Hunde gewesen wäre und wie dämlich die Besitzer, die ihre Hunde nicht abrichten, nicht erziehen, nicht an der Leine halten können … Dazu Bilder von einem blutigen, zerfetzen Kadaver und vielleicht auch noch von zwei oder drei ungeborenen Jungtieren, die man danebengelegt hat, um das Ausmaß hündischer Brutalität zu verdeutlichen. Es wird über diese Hunde und deren Besitzer geschimpft, da das arme Reh kurz vor der Niederkunft war, nicht fliehen konnte, nicht in der Lage war, sich zu wehren und deshalb sein Leben lassen musste.
Jetzt dacht ich mir, das Ganze mal etwas näher zu beäugen, denn die Jagd an und für sich ist ja nichts Verwerfliches, oder?
Die Jagd gehört zu Raubtieren dazu, wie der Pferdeapfel zum Pferd. Um die Jagd zu verstehen und vielleicht auch mit anderen Augen zu sehen, muss man etwas zurückgehen, dorthin, wo der Vorfahre unserer Hunde lebt, nicht täglich mit irgendeinem Trockenfuttergemisch versorgt wird und nicht beim ersten Anzeichen von Durchfall schon beim Tierarzt sitzt und mit Medikamenten vollgestopft wird. Wir sind da draußen, in den Wäldern Montanas oder auch jenen Kanadas, wo es wilde Wölfe gibt, die jagen müssen, um zu überleben, um etwas zu fressen zu haben, um ihre eigenen Jungen, die auch jetzt im Frühjahr geboren werden, versorgen zu können. Wölfe jagen im Großen und Ganzen im Rudel und erbeuten neben Kaninchen und Geflügel auch Großwild. Ein Kaninchen oder ein Fasan ist zwar ein netter Snack, macht aber einen Wolf, der vielleicht so im Schnitt um die 40 bis 50 kg auf die Waage bringt, nicht wirklich satt. Unter Großwild fallen Bisons, Hirsche und auch Elche. Das Wolfsrudel jagt aber nicht hirnlos, sie beobachten beispielsweise die Hirsche eine Weile, kommen näher, aber sie pirschen nicht wie Großkatzen. Katzen sprinten auf kurze Distanz los, um in Höchstgeschwindigkeit das auserkorene Beutetier zu erreichen und mit einem Biss in den Hals zu ersticken.
Wolfe hetzen. Die beginnen mit einer nicht immer schnellen, sondern kontinuierlichen Jagd auf ihre Beutetier und fangen an die verschiedenen Individuen zu testen. Welches ist kräftig und wehrhaft und welche könnte eine leichte Beute und leicht zu erlegen sein. Die meisten Beutetiere haben dem Wolf wenig entgegenzusetzen. Bisons wissen, solange sie zusammenbleiben und den Wolf anschauen, kann nicht so viel passieren. Wölfe greifen keine Bisons von vorne an. Sie umkreisen diese Herde also tagelang, hindern damit die Bisons am fressen, da diese ständig darauf aufpassen müssen, nicht angegriffen zu werden. Irgendwann reißt dann das beständigste Nervenband. Die Bisons fliehen und die Wölfe beginnen zu hetzen und versuchen die Herde, die in sich zusammenbleiben möchte, zu splitten. Deswegen treiben sie sie in meist unwegsames Gelände, damit die Herde auseinandergerissen wird. Dann suchen sie sich ein schwaches, kränklich wirkendes oder junges Tier, hetzen es so lange, bis es ermüdet, (Bisons sind, genauso wie Hirsche, nicht für ein Dauerwettrennen gemacht) und greifen es schließlich von hinten an. Große Beutetiere von vorne anzugreifen, kann dumme Folgen für den Wolf haben, denn Bisons stampfen mit den Vorderbeinen und haben einen ziemlich harten, mit Hörnern versehenen Schädel, während auch Hirsche den Wölfen vorne Verletzungen zufügen können, die er nicht brauchen kann. Es ist für den Wolf leichter, hinten in die Schenkel zu beißen und das Tier zu Fall zu bringen. Dabei verbeißen sie sich nicht, sondern packen zu, reißen, packen zu, reißen wieder. Das erschöpfte Beutetier kann sich kaum noch wehren, hat keine Kraft mehr, um zu fliehen, geht in die Knie, oft mit aus dem Maul hängender Zunge. Wölfe haben nur eine Chance es zu töten, indem sie den Hals des Beutetieres zerfetzen. Irgendwann ist die Luftröhre mit dabei und das Beutetier ist dem Tod geweiht. Es stirbt. Diese Beutetiere schreien aus Panik, aus Angst, aus Verzweiflung, was den Wolf aber relativ wenig juckt, denn er muss fressen, um zu überleben und dieses Futter hat er gerade getötet. Er macht keinen Unterschied, ob es sich dabei um ein Jungtier oder um ein tragendes Muttertier handelt. Es ist Fleisch, etwas Fressbares, etwas, was dem Überleben dient und hilft, die eigenen Jungen großzuziehen.
Sobald das Tier tot ist, wird der Bauch aufgerissen und die Wölfe stürzen sich über die Eingeweide, schälen den Leib des Beutetieres regelrecht aus, um sich dann über Muskelmasse und Knochen herzumachen. Schnell zu fressen gehört dazu, denn es könnte ein Fressfeind erscheinen, der ihnen die Beute streitig macht, die sie sich mühevoll erjagt haben. Also, die Jagd, die Wölfe betreiben, ist weder nett noch schön noch tierfreundlich noch gustiös noch in irgendeiner Weise menschlich, sondern brutal und grausam, aber überlebenswichtig.
Unglücklicherweise besitzen unsere Hunde diesen blöden, bescheuerten Jagdtrieb und finden es spannend, einem Kaninchen, einem Vogel oder eben auch einem Reh hinterherzulaufen. Viele Hunde wissen allerdings nicht, was sie zu tun haben, wenn sie dieses Reh auch erreichen, lassen von der Jagd ab, sobald das Reh, aus welchem Grund auch immer, stehenbleibt oder in den Büschen verschwindet. Manche Hunde brechen die Jagd auch vorher ab, wenn sie einfach merken, dass sie das weglaufende Wild nicht erreichen können, da sie selbst zu langsam sind. Es gibt aber auch Rassen, die mit ihrer Größe, Kraft und Schnelligkeit durchaus in der Lage sind, ein Reh einzuholen und die leider auch das Wissen haben, was man von Natur wegen damit macht. Man tötet es. Auch diese Hunde hetzen das Reh, bis es nicht mehr kann, beißen es in die Hinterbeine, bringen es damit zu Fall und wissen auch ganz genau, dass man den Hals zerfetzen muss, um es zu töten. Das Reh schreit wie am Spieß, der Todeskampf dauert und man kann als Mensch oft nur zusehen (sollte man es mitbekommen), wie der Hund das Reh umbringt. Zurück bleibt ein blutiger, zerbissener Kadaver eines Wildtieres und ein Hund, der dafür verantwortlich ist, denn man als Killermaschine und als blutrünstige Bestie ansieht, weil er eben getan hat, was er getan hat. Aber war es auch aus der Sicht des Hundes wirklich so falsch?
Der Jagdtrieb ist in vielen Hunden noch verankert. Gut, ein Dackel wird nicht viel Schaden anrichten können, wenn er mal hinter einem Reh her ist. Auch der Cocker Spaniel oder Pudel wird vermutlich die Jagd irgendwann aufgeben müssen. Anders sieht es bei Rassen aus, die groß, leichtfüßig und schnell sind, Kraft besitzen und deren Triebanlage noch perfekt funktioniert. Sind diese Hunde auch noch zu zweit oder zu dritt, sieht es schlecht um das Reh aus. Es wird die Dauerjagd dieser Hunde nicht lange durchstehen, ermüden und schließlich den Räubern zum Opfer fallen. Ob dieses Reh nun tragend ist, ein Jungtier oder vielleicht schon Mutter ist, wird den Hunden wurscht sein, da diese kein Mitleid besitzen, wie wir Menschen es kennen. Dennoch ist die Tragödie groß, denn in unserer Gesellschaft sieht man gerne den streichelbedürftigen Familienhund, der nichts tut, obwohl ihm die Natur eigentlich eine sehr bedrohliche Waffe mitgegeben hat, mit der er sehr viel Schaden anrichten kann. Sein Gebiss. Dieses Gebiss ist eine Waffe, eine Waffe, die dem Raubtier nutzt, um Beutetiere zu töten.
Wir vergessen dieses Instrument nur allzu gerne, sehen es nicht als Bedrohung, wie auch Hundebesitzer in dem Hund selbst keine Bedrohung mehr sehen, da man den Hund so sehr gewohnt ist und sich gar nicht vorstellen kann, dass er jemanden verletzten oder gar etwas töten könnte. Im Allgemeinen hört auch das Verantwortungsbewusstsein beim eigenen Hund auf. „Mein Hund darf immer frei rennen. Der braucht keine Leine. Ich komme gänzlich ohne aus“, sind Sätze, die ich genauso oft höre wie „Mein Hund folgt aufs Wort, der braucht nicht angehängt zu werden“. Diese Leute glauben, dass die anderen, jene, die ihre Hunde angeleint haben, einfach zu doof sind, ihren Hund richtig zu führen, oder es grundsätzlich falsch machen, denn „die Hunde machen sich das schon aus“. Genauso verhält es sich mit der Jagd. Gut, es gibt etliche Hunde, die haben wirklich kein Interesse an der Jagd. Die gucken einem Hasen hinterher und sagen, „tschüss, bis zum nächsten Mal“. Andere lassen sich wirklich zurückrufen und brechen die Jagd ab, sollten sie schon im vollen Lauf sein. Es gibt aber auch Hunde, die pfeifen auf Herrli und Pfiff, beginnen zu rennen, jagen dem Reh oder auch dem Hasen hinterher und waren nach fünf Minuten nicht mehr gesehen. Zurück bleibt dann Herrli, mit Leine in der Hand, der sich die Seele aus dem Leib brüllt und erkennen muss, dass sein liebes, nettes immer folgendes Hundi gerade die deutsche Sprache vergessen hat. Mit schmerzendem Hals, viel Sorge und noch mehr Zorn im Magen, kann er jetzt versuchen, seinem Hund hinterherzulaufen, was bestimmt viel Sinn machen wird, oder aber er geht nach Hause und wartet, ob Hundi wieder nach Hause kommt. Es kann natürlich auch sein, dass er seinen Hund, dort am Feld oder im Wald, zum letzten Mal gesehen hat und der Hund auf immer verschwindet, was jedes Mal große Suchaktionen und genau solche Tragödien auslöst, wie wenn ein Reh vom Hund getötet worden ist.
Einem Hund die Jagerei abzugewöhnen oder ihm den Jagdtrieb auszutreiben, ist, meiner Meinung nach, gerade in der heutigen Zeit, wo mit der Kuscheltherapie, Leckerli und Hausfrauenweicheimethode ausgebildet wird, kaum möglich. Man kann es tausende Male proben, mit Ball, mit künstlichem Fell, mit Schleppleine, und, und, und. Ist der Hund von der Leine, kapiert der Hund, dass er von der Leine gelassen wurde, und Hunde sind nicht doof, wird es oft noch ein, zweimal gelingen, dass er sich abrufen lässt, bis eben der Trieb wieder durchkommt und Hundi einem die Stinkepfote zeigt. Hunde, die bereits jagdlichen Erfolg hatten, entweder durch Hinterherlaufen oder durch das Erbeuten eines Tieres, haben sich das gemerkt und jagen immer wieder, weil sie vermutlich Gefallen daran gefunden haben. Manche kann man vielleicht so ausbilden, dass sie kein Reh mehr anschauen, aber … hmmm, wenn ich mir so ansehen, wie viele Menschen heute ihre oft großen Hunde im Brustgeschirr führen und ihn dann nur mit Mühe halten können, wenn sie einem anderen Hund oder mir als Reiter begegnen, dann brauchen wir nicht über „Jagd abgewöhnen“ reden.
Was ich mit diesem Text bezwecke ist, die Hund und die Jagd als solches zu verstehen. Auch Wölfe jagen, Beutetiere schreien in Todesangst und es kümmert einen Wolf einen feuchten Dreck, ob da Junge im Bauch sind und ob das Tier flüchten konnte oder nicht. Für den Wolf ist es wohl eher von Vorteil, wenn die Beute nicht so schnell weglaufen kann.
Wir wollen in unserer Gesellschaft sowas nicht, denn von Hunden blutig gebissene und zerfetzte Tierkadaver passen nicht in unsere Vorstellung und wir leben auch in keinem Land wie Kanada oder Nordamerika, wo sowas normal ist und täglich vorkommt. Unsere Hunde brauchen nicht zu jagen, sie werden von uns gefüttert. Jäger wollen es nicht und wir empfinden Mitleid für eine hochtragende Rehgeiß, die mit ihren ungeborenen Kitzen im Bauch gerissen vorgefunden wurde. Im Frühjahr bringen Wildtiere ihre Jungen zur Welt, bewachen sie und wollen sie auch großziehen. Natürliche Feinde gibt es hier kaum noch, weswegen unser Wild gar nicht auf „Feind“ eingestellt ist, viel zu spät und viel zu langsam reagiert und deshalb schneller Opfer werden, als woanders. Freilaufende, streunende oder auch jagende Hunde will man in unseren Breitengraden nicht sehen. Hundebesitzer sollten sich mal an der eigenen Nase packen und überlegen, ob sie ihren Hund wirklich so ohne weiteres zurückrufen können. (Na, die letzten Jagd auf Nachbars Katze schon vergessen). Ist man sich unsicher, dann sollte man den Hund an der Leine belassen, damit Wildtiere ihre Jungtiere in Ruhe gebären und großziehen können. Will man dem Hund dennoch Bewegung verschaffen, na, dann rauf aufs Rad. Auch da ist der Hund angeleint, aber er muss sich bewegen, was weder dem Hund noch dem Besitzer schadet. Zudem ist es nicht verboten aufmerksam zu sein. Hunde zeigen es meist an, wenn sie etwas wittern und spätestens dann sollte man ihn anleinen, denn man kann nicht wissen, was für Tiere sich gerade in der Nähe aufhalten. Würden alle etwas Rücksicht nehmen, daran denken, dass Hunde nun mal Räuber sind und auch töten können und ihn zum Schutz anderer an der Leine belassen, wäre schon vielen geholfen. Würde jeder seinen Hund einfach frei laufen lassen und würde jeder Hund dann tun, was er will, hätten die Jäger viel zu tun, all diese Vierbeiner umzunieten, die hirnlos auf das Wild losgehen, obwohl sie es eigentlich nicht müssten, da ihr Überleben nicht davon abhängt.
Natürlich kann es passieren, dass sich ein Hund losreißt oder entwischt. Solche Hundebesitzer sind meist auch bestrebt, ihn so schnell wie möglich wiederzubekommen und stehen dafür ein, wenn etwas passiert ist. Ein Drama sind nur jene, die ihren Hund von der Leine und sich selbst überlassen und dann nicht dafür gradestehen wollen, wenn das ach so liebe Hundsi, gerade das niedliche Schaf von Nachbars Weide geholt oder eine blutige Spur der Verwüstung im Wald hinterlassen hat
Nochmal! Neigt der Hund zur Jagd, dann bitte bindet ihn an die Leine und schützt damit nicht nur den eigenen Hund, sondern auch das Wild, das im Frühjahr seinen Nachwuchs zur Welt bringt und mit Feinden, wie es der Hund ist, nicht umgehen kann.