Der Rückruf! Ein Problem?

Der Rückruf

 Ein Ding, an dem viele Leute verzweifeln. Der Rückruf! Einmal von der Leine gelassen, macht der Hund was er will und denkt gar nicht mehr daran, zu seinem Besitzer zu kommen. Der schreit und grölt, wedelt mit dem Leckerli in der Hand, weil man das so gelernt bekommen hat, aber der Hund dreht sich noch nicht mal um und ist, sobald er etwas gesehen hat, was ihm gefällt …. wech!!!

Und das zieht sich quer durch alle Rassen. Egal, ob Sandros, Labrador, Husky, Aussie, Goldi, Dackel, Straßengrabenkreuzung … es gibt schlicht keine Rasse oder keinen Mix, die einwandfrei funktioniert und denen man den Rückruf mal so nebenbei beibringen kann.

Ich werde immer wieder von Menschen gefragt, die bei uns einen Sandros erstehen: Kann man diese Hunde auch zurückrufen?

Eigentlich eine lustige Frage. Es liegt ja nicht am Hund, sondern am Besitzer, wie gut die Bindung ist und wie gut er sich seinem Hund mitteilen kann.

Beiläufig kommt dann oft noch die Frage: Hat der Hund einen Jagdtrieb?

Menschen glauben immer noch, dass Hunde mit einem Sinn fürs Jagen, einfach nicht abrufbar sind. Sie nehmen schon von Haus aus an, dass man das diesen Hunden nichts beibringen kann und bemühen sich erst gar nicht. Der Hund kommt von Anfang an an die Leine und wird nie wieder freigelassen.

Okay, man hat sich also schon beim Kauf des Welpen seine eigenen Grenzen gesteckt. Ich kann diesem Hund den Rückruf nicht beibringen. Ja, dann wird so ein Hund das auch nicht machen. Warum auch? Er hängt doch sowieso an der Leine.

Die Sachlage wird nur ganz, ganz doof, wenn so ein Hund aus dem Halsband schlüpft, wenn das Halsband reißt, wenn die Leine reißt, wenn sie mir aus der Hand gezogen wird, wenn ich loslassen muss, wenn der Karabiner kaputt geht, wenn der Hund sich aus dem Geschirr arbeitet, usw. dann stehe ich auf einmal da und sehe mich gezwungen, den Hund abzurufen, was er aber noch nie gemacht hat. Entweder der Hund gibt Fersengeld und türmt (weil es ja einen Grund hat, warum er sich aus dem Halsband oder dem Geschirr gebastelt hat) oder findet viel zu schnell raus, dass er seiner neuen Freiheit gegenübersteht und pfeift auf Frauli oder Herrli, weil er von denen sofort wieder angebunden wird.

Da stehen sie nun, Frauli und Herrli, die kaputte Leine in der Hand (oder Leine mitsamt Halsband oder Geschirr) und haben keine Ahnung, wie sie den Hund einfangen sollen, der mit belohnender Ignoranz darauf achtet, ja nicht zu weit heranzukommen oder den Abstand zu sich und seinen Besitzern bewusst immer weiter vergrößert. Ratlosigkeit, es wird gerufen, geschrien, gebettelt, gelockt, aber der Hund ist entweder sowieso schon weg oder hat sein Arschlochgesicht aufgesetzt und beobachtet belustigend, was Herrli und Frauli so aufführen.

Wer schon mal ansatzweise in so einer Situation war, wird verstehen, was hier gemeint ist.

Dazu kommen tausende von Videos und Reels, die zeigen, wie es geht. Hund bekommt jedes Mal, wenn er herangekommen ist, ein Leckerli, und er wird immer wieder gerne kommen.

Bullshit!

Hund wird an der Schleppleine gearbeitet und herangezogen, wenn er auf den Zuruf nicht reagiert. Irgendwann kann man die Schleppleine abmachen und der Hund wird wissen, was er zu tun hat.

Bullshit!

Oder die sogenannten Hundetrainer und Experten zeigen am eigenen Hund, wie ein 100%iger Rückruf funktioniert. Der Hund kommt immer und überall, so die Mitteilung.

Bullshit!

Dann kommen noch die Trainer, die sagen, man muss dem Hund einen Grund geben, dass er gern zu seinem Besitzer kommt und ihn dann mit Spiel, Spaß und Action belohnen.

Jetzt zeigt aber das verdammte Leben, dass das Training am Abrichteplatz nicht die Situationen im alltäglichen Leben ersetzen kann. Der Hund, der am Abrichteplatz immer für Futter kommt, sich freut und Spaß hat, wird da draußen im Freifeld noch lange nicht kommen, weil es da tausend andere interessante Dinge gibt, die über der Freude stehen, zu seinem Besitzer zu laufen. Wenn dem Hund da draußen also etwas wichtiger erscheint, und ich rede hier noch nicht mal von Katze, Hase oder Reh, sondern vielleicht von einer Maus, die gerade in den Wald gelaufen ist, oder einem Rascheln im Gebüsch, einem anderen Hund, einem seltsamen Geruch, dann belohnt sich der Hund eigentlich selbst, wenn er da hinläuft und der Sachlage auf den Grund geht. Besitzer und Leckerli sind da mal zweitrangig, die holt man sich hinterher ab, denn so ein Hund kann nicht unterscheiden, zwischen, ja ich muss zuerst zu Frauli rennen, mein Leckerli holen und darf dann vielleicht das Geräusch erkunden, oder zuerst Geräusch erkunden und dann kommen. Denn er ist ja gekommen, eben nur nicht in der gewünschten Reihenfolge.

Auch die Schleppleine, die viele benutzen, ist mit Vorsicht zu genießen, einfach, weil Hunde nicht doof sind. Sie wissen genau, dass sie an der Leine sind, eben an der Schleppleine und keine Möglichkeit haben, was anderes zu machen, als zu kommen. Ist die Schleppleine mal ab …. Juhu, Freiheit. Der Hund lernt in abartiger Geschwindigkeit, dass der Mensch jetzt keinen Einfluss mehr hat und macht genau das, was er will, nicht das was Herrli vielleicht möchte.

Doch ja, es gibt Hunde, die haben den Rückruf zu 120% intus und kommen aus jeder Lebenslage angelaufen, brechen alles ab, wenn man sie ruft.

Aber die wenigsten Hunde sind so veranlagt. Menschen, die sowas voller Stolz zeigen, haben meist die entsprechenden Rassen. Border Collie, Australien Shepherd, Dobermann, Malinois, Schäferhunde allgemein, Retriever, leichtführige Rassen eben. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der einen 120% Rückruf bei einem Husky oder einem Windhund gezeigt hätte. Weil diese Rassen selbstdenkend sind und eine hohe Entscheidungsfähigkeit haben. Zudem wollen sie ihren Besitzern nicht in Form von Folgsamkeit gefallen. Gutes Beispiel: Ein Malinois, also ein Belgischer Schäferhund, wird sich für dich ins Feuer werfen, ein Husky wird sagen: He Alter, ich bin doch nicht verrückt, spring selbst rein.

Ich habe für mich die Erfahrung gemacht und auch verinnerlicht, dass es keinen 120% Rückruf gibt. Wenn man so einen Hund hat, schön, das ist aber nicht selbstverständlich und schon gar nicht die Regel.

Wie trainiert man aber jetzt den Rückruf, wie arbeitet man dran?

Eine Frage, die man nicht in zwei Sätzen beantworten kann, weil ein halbwegs oder auch gut funktionierender Rückruf etwas damit zu tun hat, wie ich generell mit meinem Hund umgehe, wieviel Freiraum ich ihm lasse, wie gut der Respekt vom Hund zu mir ist und wie gut die Chef-Knecht Sache passt. Wie handhabe ich meinen Hund im täglichen Umgang. Wie reagiert er auf mich, wenn ich ihm zuhause etwas sage. Lässt dich dein Hund zuhause schon links liegen und reagiert nur dann, wenn es ihm gerade in den Kram passt, wird er draußen bei einer heiklen Sache wie dem Rückruf, erst recht nicht funktionieren. Ist ein Hund zuhause respektlos, frech und ungehobelt, wird er nicht anders sein, wenn ich mit ihm unterwegs bin.

Will man einen einigermaßen gut folgsamen Hund (kein Hund, dem ich je da draußen begegnet bin, folgte aufs Wort, es sei denn, es handelte sich um einen Hundebesitzer, der wusste, was er zu tun hatte, mit der geeigneten Rasse), sollten man schon im Welpenalter mit einigen wichtigen Dingen beginnen, die man in den Alltag einfügen kann, ohne sich groß anzustrengen.

Ich bringe meinem Hund seinen Namen bei.

Die wenigsten Hunde kennen ihren Namen und reagieren auch nicht groß drauf, wenn sie ihn hören. Jetzt versuchen Menschen ihren Hund dazu zu bringen, zu reagieren, indem sie den Namen mit einem Leckerli verbinden. Der Hund reagiert auf den Zuruf, weil er ein Leckerli erwartet. Persönlich bin ich der Meinung, dass ein Hund auch auf mich reagieren muss, wenn nicht ständig das blöde Futter in Aussicht gestellt wird, sondern weil ich es gesagt habe, weil ich als Boss das Recht habe, eine Reaktion zu erwarten und weil das im Leben nun mal so ist. Man kann dies recht einfach machen. Um zu erreichen, dass mein Hund reagiert, rede ich ihn, in dem Moment, wenn ich was von ihm will, mit seinem Namen an. Anders wäre es bei uns im Rudel nicht möglich, einzelne Hunde heranzurufen, ohne dass die anderen reagieren. Wir rufen den Hund bei seinem Namen, und das fängt schon im Welpenalter an, und sagen dem Hund, was wir wollen. Luna, geh in die Box, Luna, geht auf deine Decke, Luna, raus aus der Küche, Luna, bürsten, Luna, waschen, was auch immer. Der Hund hat seinen Namen bekommen, damit man ihn auch verwendet. Bemerkt man dann irgendwann, dass der Hund auf seinen Namen reagiert, weil er schaut, wenn man ihn ruft, weiß man, dass er verstanden hat, den Ernst dahinter aber noch nicht erkennt. Also, Luna, geh in die Box. Luna reagiert zwar auf ihren Namen, dreht sich aber um und zeigt damit „rutsch mir den Buckel runter“ an. Ich bin derjenige, der den Hund jetzt ohne weiteren Kommentar holt, schnappt und ihn auch kommentarlos in die Box komplimentiert. Aus dem einfachen Grund: Ich habe beobachtet, dass Luna ihren Namen verstanden hat, sie kennt auch „geht in die Box“ hat aber keinen Bock und ignoriert mich. Also hole ich sie, befördere sie in die Box, mach die Tür zu und gut is. Jetzt weiß der Hund, wenn gerufen wird und man nicht reagiert, kommt eine Konsequenz. Die muss nicht allzu heftig, aber ungemütlich sein, sonst wäre es ja keine Konsequenz. Manche Hunde lernen das fix, manche zeigen sich als richtige Dumpfbacken, die es nicht wahrhaben wollen. Mal schauen, wer beharrlicher ist. Wir füttern keine Leckerlis, denn für mich ist Folgsamkeit ein Muss und keine Bestechung, zumal sich gewisse Rassen nicht bestechen lassen, da sie verstanden haben, dass es eine Bestechung ist. Gerade der Nordländer kann sich da sehr „stur“ zeigen, als Zeichen, dass er auf das Leckerli pfeift. Es gibt aber auch unter anderen Rassen Hunde, die einfach keine Leckerlis wollen, egal, was man ihnen hinhält. Aber auch von diesem Hund möchte man eine bestimmte Folgsamkeit.

Ich übe den Blickkontakt

Etwas, was immer und immer wieder übersehen wird. Der Blickkontakt. Die meisten Trainer haben nicht selten Futter im Mund oder in der Hand und erreichen so, dass der Hund einen anschaut. Auch hier haben wir wieder die Futtermotivation. Der Hund wird bestochen, damit er einen anschaut. Ja, es mag Hunde geben, bei denen das dann auch ohne Futter funktioniert, es gibt aber Hunde, die machen keinen Handschlag mehr, sobald kein Futter kommt.

Wir üben den Blickkontakt im Alltag, ohne dass es als Training wahrgenommen wird oder ich mir extra Zeit nehmen muss. Luna, steh auf (weil Luna gerade im Weg liegt) Hund anschauen, vielleicht ein Zischgeräusch machen und den Hund mit dem Fuß anstupsen, damit er eben aufsteht und Platz macht. Selbiges kann ich beim Füttern auch üben. Die meisten Hunde wollen logischerweise ihr Abendessen haben (oder ihr Frühstück), weil es eine wichtige Mahlzeit am Tag ist. Ich bin der Meinung, dass ein Hund ein Anrecht auf sein Futter hat und man nicht tausende Tricks abfragen muss, die der Hund zu absolvieren hat, bevor man ihm die Schüssel auf den Boden stellt. Würde das jemand bei mir machen, frage ich ihn, ob er noch ganz sauber ist. Nun, wer weiß, vielleicht denken Hunde auch sowas Ähnliches, nur sagen können sie es nicht. Aber er muss mir nicht in den Arm springen oder mir die Schüssel aus den Fingern reißen. Sie dürfen sich auf ihr Essen freuen, sie dürfen bei uns auch unruhig sein, herumwuseln und anzeigen, dass die Küche eigentlich zu langsam ist, aber sie sollten sich soweit im Griff haben, dass ich die Schüssel ungehindert auf den Boden stellen kann und der Hund dann noch so lange wartet, bis ich ein Freizeichen gebe. Ich mache kein Kunststück daraus, weil es den Hund nervt, manchen sogar den Appetit verdirbt oder mächtig viel Frust erzeugt. Ich kann erwarten, dass der Hund mich anschaut, wartet, bis die Schüssel am Boden steht, wartet, bis ich „Mahlzeit“ sage und dann erst loslegt. Stürmt er auf mich zu, springt er mich an, versucht er mir die Schüssel zu entreißen, gibt es totsicher meinen Sohn, der irgendwo mit einer Wurfflasche steht und diese schießt, sobald ich mit der Schüssel erscheine. Am zweiten, spätestens am dritten Tag reagiert der Hund schon auf das Rascheln der Flasche, am vierten Tag brauche ich sie nicht mehr. Ich helfe mir auch mit dem Namen des Hundes und bekanntem Zischgeräusch. Luna, tschschscht. Weil der Hund im Haus auch immer mal wieder verjagt wird, weil er im Weg liegt. Schießt der Hund sofort auf die Schüssel zu, will zulangen, packe ich ihn im Genick, ziehe ihn zurück und erkläre mit einem „nein“, dass ich das so nicht will. Den Vorgang wiederhole ich, bis sich der Hund nur eine Sekunde zurücknimmt und ich das spüren kann. Dann kommt mein schnelles Freizeichen. Am nächsten Tag, gleiches Ritual, aber man wird merken, dass sich der Hund vielleicht schon eine Spur besser zusammenreißt. Vielleicht mir auch schon bewusster in die Augen schaut. Macht der Hund beim Füttern gewisse Dinge von selbst, wie zurückgehen, warten bis die Schüssel am Boden steht, warten bis das Freizeichen kommt, ist man schon einen wesentlichen Schritt weiter. Überall im Alltag kann man diese Dinge einbauen, denn so ein Hund hat beileibe keine Narrenfreiheit in der eigenen Hütte.

Ist der Hund draußen im Garten, kann man ihn von Fall zu Fall rufen. Einfach so, ohne besonderen Anlass. Luna, komm her. Kommt Luna und schaut nach, alles okay. Kurz loben, good Girl, und sie kann schon wieder spielen gehen. Kommt sie nicht, weil die Kinder gerade toben, würde ich sie holen. Kommentarlos. Ich habe als Boss etwas gesagt, wenn sie nicht zuhört oder es ignoriert, ist das ihr Problem, nicht meins. Ich hole den Hund zu mir … und was das Schwierigste ist, die Interesse des Hundes auf mich zu lenken, auch wenn die Kinder gerade Ball spielen. In den meisten Fällen empfehlen Trainer wieder das Leckerli. Der Hund wird als wieder bestochen. Er interessiert sich aber für mich nur für die Zeit wo ich das Leckerli in der Hand halte, nicht länger. Was nu, wenn der Hund keine Leckerlis mag, was, wenn dir der Hund sein Leckerli schenkt?

Hat der Hund den Blickkontakt schon kapiert, weiß er, dass er aus der Situation nur rauskommt, wenn er mit mir kommuniziert, wird er es tun, in der Hoffnung, schnell wieder zurückzudürfen. Ist das Hirn aber nur bei dem Ball und den Kindern, lege ich genau hier die Leine an. Auch wenn mich einige jetzt verteufeln, aber mit kurzen und herzhaften Zupfern an der Leine am Halsband kann man dem Hund durchaus erklären, wo jetzt die Musi spielt. Konzentriert er sich auch nur ganz kurz auf mich, darf er schon wieder los und weitertoben.

Ja, ich weiß, es wird jetzt gewisse Menschen geben, die schreien … das ist Zwang, das ist Gewalt, vielleicht Tierquälerei … okay, ich lege mich morgen hinter den Zug.

Ich möchte dazu mal folgendes sagen. Kein Hund macht für mich immer alles freiwillig. Wenn ich den Hund vor die Wahl stelle, hierbleiben oder Hasen jagen, wird er sich in den meisten Fällen für Hasen jagen entscheiden. Die Leine ist eine Zwangsmaßname, damit er es nicht tut.

Ist ein Hund stundenlang im Haus oder in der Wohnung eingesperrt, ist auch das eine Zwangsmaßnahme, denn ich kann meinen Hund nicht einfach fröhlich durch die Welt laufen lassen.

Beobachtet man Hunde untereinander, und wir haben das hier tagtäglich, gehen sie nicht gerade sanft miteinander um. Selbst wenn sie spielen, ist das Spiel rau und ungehobelt. Der eine rennt den anderen nieder, es wird am Fell gerissen, an der Kehle gekaut, in die Ohren gebissen, kracht es, naja, hat man mehrere Hunde, erlebt man, was Gruppendynamik bedeutet. Sind sich zwei Hund uneinig, kann es durchaus sein, dass sich das Rudel zusammenrottet und geschlossen in der Rauferei mitmischt. Da geht dann jeder auf jeden oder sie nehmen sich diesen einen, von dem sie glauben, dass er gerade unterlegen ist, und gehen geschlossen auf den los. Die Überlebenschance für diesen einen ist denkbar schlecht und ich rede dabei wirklich von überleben, denn ich habe bereits gesehen, wie es ausschaut, wenn das Rudel einen ihrer Artgenossen eliminiert. Das geht relativ schnell. Wie ich es immer wieder schaffe, so eine Prügelei zu trennen … mit Respekt. Ich bin der Boss, kommt der Boss, ist es gut, wenn man aufhört. Natürlich gehe ich nicht mit hoch erhobenem Finger da rein und sage: Du, du, du, böser Hund, wirst du wohl aufhören. Nein. Ich werfe mehrere Wurfflaschen und habe zur Vorsicht noch einen Gegenstand in der Hand, mit dem ich Beißereien trennen kann. Bisher hat die Wurfflasche, meine laute Stimme und mein Erscheinen gereicht. Geprügelte Hunde, wissen, dass ich jetzt zu Hilfe gekommen bin und nehmen die Hilfe an, denn die stehen unter Schock. Die anderen wissen, dass es jetzt vorbei ist und kriegen sich auch sofort wieder ein.

Brutale Beißereien sind unter Hunden normal. Es sind wir Menschen, die das verhindern, nicht sehen wollen und erklären, dass das ein Fehlverhalten ist. Es ist kein Fehlverhalten, wenn sich Tiere streiten. Geht mal raus in die Natur. Überall streiten sich Tiere in freier Wildbahn. Die Gründe sind unterschiedlich. Ein Muttertier verteidigt ihre Jungen, zwei Herren geraten aneinander, weil es um die Damenwelt geht, Reviere werden verteidigt, Beute wird verteidigt oder man kann sich schlicht nicht riechen. Es gibt keine Tierart, wo es nicht mal Streit gibt und Tiere bringen durchaus ihresgleichen um, manchmal gewollt, manchmal ungewollt. Bricht sich ein Zebra bei einem Kampf mit einem anderen Zebra ein Bein, wars das wohl. Das Zebra endet als Futter. Das war vermutlich nicht gewollt. Fallen zwei oder drei männliche Löwen übereinander her und hören nicht auf, bis der Kontrahent tot ist, war das gewollt. Von der Tötung von Beutetieren will ich mal gar nicht erst sprechen. Das Auf- und Auseinanderreißen von noch lebender Beute ist in der Welt der Jäger normal. Tiere kennen da wenig Mitleid. Brutale Gewalt ist in der Natur an der Tagesordnung und hat nichts mit einer Verhaltensstörung zu tun. Es sind wir Menschen, die alles verniedlichen und gewaltfrei haben wollen, denken aber nicht daran, dass der Mensch selbst, das größte und totbringendste Ungeheuer ist, das diese Welt bevölkert, denn er erfindet Waffen, mit denen er seine eigene Spezies ausrotten kann. Tiere haben lediglich die ihnen am Körper angewachsenen Waffen zur Verfügung. Hufe, Krallen, Zähne, Muskeln und einen unbändigen Willen. Ich kenne kein Tier, dass eine Waffe gebaut hätte, um sich selbst umzubringen.

Aber es wird Zeter und Mordio geschrien, wenn jemand mal einen Hund am Kragen packt oder mal etwas unhöflich zu ihm ist.

Wenn ich also meinen Hund am Halsband zupfe und zwar so, dass es ankommt, begehe ich sicher kein Schwerverbrechen, denn ich mache nur deutlich, dass ich etwas will und breche dem Hund nicht den Hals.

Kann man allerdings den bei den Kindern spielenden Hund abrufen, stehen die Chance schon mal sehr gut, dass er sich auch da draußen von etwas abrufen lässt, was ihm interessanter erscheint.

Man kann jetzt auch versuchen, den Hund in Situationen zu schicken, die er gerne macht, zum Beispiel einem Ball nachlaufen, und ihn abrufen, bevor er den Ball erreicht hat. Spurt er, verzichtet er auf den Ball, habe ich etwas Großartiges erreicht. Ich kann meinen Hund aus einer Situation abrufen, die einer Jagd ähnelt. Ball nachlaufen. Bei wem klingelt es jetzt? An Lob für kurz funktionierende Sequenzen verwende ich immer Wörter. Good boy oder good girl. Warum englisch, weil ich in Amerika aufgewachsen bin. Wer will, kanns ja auch in Deutsch sagen. Guter Junge, gutes Mädchen. Oder eben was anderes. Übertreibt es aber mit dem Lob nicht, denn dann glaubt euer Hund euch das nicht mehr. Man kommt sich selbst ja auch irgendwie verarscht vor, wenn wir überschwänglich viel Lob erhalten. Man denkt sofort, da ist was faul. Kommen nur ein paar kurze Worte, freut man sich und es steigert die Motivation … ja glaubt ihr, beim Hund ist das anders???

Lob ist auch eine Bestätigung, etwas richtig zu machen oder gemacht zu haben. Wir bringen unseren Leithunden im Gespann links und recht bei. Manche Hunde verwechseln das, also kommt das „nein“ und der Hund weiß: Ich hab was falsch gemacht. Das entmutigt ihn aber nicht, sondern er versucht es richtig zu machen, weil ja von mir das Kommando „rechts“ kommt. Denkt der Hund mit, geht er nach dem Ausschlussverfahren. Biegt er rechts ab, kommt die Bestätigung „good boy“ und er weiß: alles gut, alles wieder in Ordnung.

Alles, was ein Hund tun soll, kann man in den Alltag einbauen. Lernt er das Wort „warten“ bei der Haustüre, weiß er, dass es nicht heißt, Hund schießt sofort raus, wenn die Haustür aufgeht, dann wartet er vermutlich auch, bevor er ins Auto steigt oder aus dem Kofferraum rausspringt, vorausgesetzt, ich kommuniziere das.

Springt mir mein Hund aus dem Kofferraum entgegen, kaum dass der Deckel aufgeht, habe ich es ihm nie gesagt, wie Scheiße das ist, und Gewohnheiten haben sich eingeschlichen. Nicht jammern, wenn das lästig wird, der Hund weiß es ja nicht besser.

Haben wir Welpen turnen die gerne im Roundpen rum. Manchmal muss ich sie da aber rausschmeißen, weil es eben ein Reitplatz für Pferde und kein Hundespielplatz ist. Mein Wort dafür ist „raus“. Ich sage es die ersten Male und jage die Welpen zack zack, alle aus dem Roundpen raus. Beim dritten, vierten Mal wissen sie es. Wenn ich „raus“ sage, beginnen sie alle auf den Ausgang zuzusteuern und den Roundpen zu verlassen, weil ich es eben kommuniziert habe. Dabei machen wir das so nebenbei.

Ich putze Pferdeknödel weg, nehme die Scheibtruhe und sage ganz beiläufig: So ihr Gespenster „raus“ jetzt. Und alle verlassen den Roundpen, egal, wie viele es sind.

Beim Rückruf ist das genauso. Es soll selbstverständlich werden, dass der Hund reagiert und im Alltag kann man den Namen des Hundes immer wieder einfügen. Nein, wir sagen nicht „Luna, zu mir“ oder „Luna, hier“. Ich sage einfach den Namen, suche den Blickkontakt zu dem Hund und dann kommt vielleicht ein „komm her“ oder „gemma bürsten“ oder „waschen“, oder „Auto“. Was auch immer gerade anfällt. Dieser eine Hund weiß somit, ich muss kommen, werde gebürstet, gewaschen oder wir fahren mit dem Auto weg.

Der Rückruf ist immer eine heikle Sache, denn der Hund entscheidet in dem Moment, was ihm wichtig ist. Das, wohin er rennen will und wovor man ihm zurückholen möchte, oder ich als Besitzer. Hunde müssen lernen, dass sie nicht jeden Hund begrüßen dürfen, dass sie nicht jeden Menschen beschnuppern dürfen und dass nicht jede Katze (Hase, Reh) gejagt werden darf. Dabei empfindet der Hund natürlich Frust. Um den zu bewältigen, muss ich ihn nicht ständig mit Leckerlis vollstopfen, sondern ihn auch mal damit leben lassen. Jeder Hund wird in seinem Leben mal Frust haben, weil er etwas möchte, aber nicht bekommt, nicht darf oder nicht kann. Hat der Hund eigentlich sonst viele Freiheiten, wird Frust kein Thema sein. Mache ich als Mensch Frust zum Faktor des Widerstandes, wird Frust ein Thema werden.

Nahezu jeder Hund wird irgendwann den Rückruf ignorieren und tun, wonach ihm gerade ist, was besonders oft bei der Jagd passiert. Hase spring auf, Hund hinter Hase her und man kann Rufen wie ein Schwein, das Hundsvieh kommt einfach nicht. Jeder Hundebesitzer geht irgendwann durch diese Situation, auch wir. Selbst hochtrainierte Hunde machen sowas und ihre Besitzer verzweifeln, nur sowas sieht man in keinem Video. Es wird nicht gerne gezeigt, da Versagen nicht auf dem Trainingsplan stand. Sowas passiert aber, weil Hunde eben Lebewesen sind und doch gelegentlich anders entscheiden, als wir das gerne hätten.

Lerne deinem Hund, sich anfassen zu lassen

Ähhh, mein Hund lässt sich anfassen. Immerzu.

Das meine ich nicht. Hunde werden viel gestreichelt und gekrault, manche werden halb tot gestreichelt, manche finden gestreichelt werden jetzt nicht sooo toll, tolerieren es aber. Wir Menschen haben zwei ganz starke Bedürfnisse, wenn wir Tiere sehen. Wir wollen es anfassen und wir wollen es füttern. Fremde Katzen werden gefüttert, Enten werden gefüttert, Pferde auf Weiden werden gefüttert, Tauben werden gefüttert, es wird alles gefüttert, was fütterbar ist. Und Tiere, die ein Fell haben und niedlich aussehen, will man streicheln.

Darf ich den Hund streicheln?

Seid froh, wenn jemand fragt, und nicht einfach so hingreift.

Kann ich das Pferd streicheln und wenn Katzen es sich gefallen lassen, werden auch die gestreichelt. Man will das Fell spüren.

Aber lässt sich dein Hund auch die Pfote nehmen und festhalten, auch dann noch, wenn der Hund sie zurückziehen möchte? Kannst du deinem Hund hart ins Fell greifen, um ihn zu halten? Kannst du deinen Hund im Genick packen und zur Seite ziehen, ohne dass er dich frisst?

Ich kenne sehr, sehr viele Hunde, die lassen sich nicht so einfach anfassen, wenn man Wunden ansehen oder versorgen möchte, wenn man sie bürsten möchte, wenn man ihnen die Krallen schneiden möchte oder wenn man die Zähne anschauen will. Sehr viele Hunde schnappen dann nach ihren Besitzern, gerade dann, wenn so Hunde unter Stress stehen und man sie einfach nur aus der Gefahrensituation befördern möchte. Große Hunde lassen sich oft nicht hochheben oder auch nicht zur Seite legen, wenn Hund das nicht will.

Schon mal in einer Tierarztpraxis erlebt, was sich da oft abspielt, nur weil ein Hund geimpft wird, oder die Krallen geschnitten werden müssen oder eine Wunde an einer ungünstigen Stelle versorgt werden muss? Manche Hunde machen schon Theater, wenn man sie nur auf die Waage stellen will.

Dabei wäre es so einfach. Den Welpen hin und wieder festhalten auch wenn dieser nicht will und sich wehrt. Mein Gott, man will ihn ja nicht umbringen, sondern vielleicht einen Stachel aus dem Pfotenballen entfernen oder eine Zecke, die am Bauch sitzt. Manchmal müssen auch Wunden versorgt werden und all das ist für den Hund unangenehm. Wir mussten einem Welpen eine Fleischfaser, die sich um die Zunge gewickelt hatte, entfernen und das war alles andere als angenehm, denn die Faser hatte die Blutzufuhr nahezu gänzlich unterbrochen und die Zunge war geschwollen. Solche Dinge kann man nicht wirklich trainieren. Aber man kann Hunden beibringen, sich anfassen zu lassen, selbst dann, wenn es unangenehm oder wirklich schmerzhaft wird. Wir haben diesem Welpen die Fleischfaser schleunigst entfernt, unter wildem Gezeter. Hinterher mussten wir die Zunge mehrmals am Tag mit kaltem Wasser massieren, um die Schwellung wegzubekommen. Eine Prozedur, die für den Welpen bestimmt nicht schön war, aber geholfen hat. Gut, einen Welpen kann man festhalten, was, wenn man einen 40kg Hund festhalten soll, der damit aber nicht einverstanden ist und sich gegen alles und jeden wehrt. Dann wird eine Behandlung richtig schwer.

Alle unsere Hunde lassen sich ausnahmslos alle Verletzungen versorgen. Wir können am Körper alles machen, was notwendig ist, ohne Gefahr zu laufen, gefressen zu werden. Dazu gehört auch das Öffnen der Schnauze, das Festhalten des Kopfes, um die Ohren zu kontrollieren, Pfoten, Krallen, ich sage, wann der Hund seine Pfote wieder haben darf und ich drehe auch jeden Hund um, auch wenn er das gerade nicht möchte. Ich kann mich nicht immer nach dem Willen des Hundes richten und es ist nicht immer machbar, sich auf den Hund einzustellen. Bürsten, abduschen, all das gehört geübt und die meisten Hunde finden das erste Bürsten oder das erste Abspritzen mit dem Schlauch nicht gerade witzig. Es gab bereits Junghunde, die schrien wie am Spieß, weil das Wasser die Pfoten und Beine berührt hat. Dass das nicht weh tut, brauche ich niemandem sagen, aber der Hund war mit der Gesamtsituation nicht einverstanden. Wir halten meist so lange drauf, bis der Hund sein Gekreische lässt und sagen ihm dann, wie toll er das macht. Selbiges als wir uns einen Blower gekauft haben und die Hunde mit dem Pustefön konfrontierten. Es gab doch so manchen, der gemeint hat, dass ich ihm am Arsch lecken kann. Nun, alle unsere Hunde nehmen mittlerweile den Blower hin, weil ich kein Drama daraus gemacht habe und sie verstanden haben, dass dieses Dings eigentlich nichts anderes tut als blasen.

Wie gut es ist, Hunden beizubringen, sich auch in Stresssituationen anfassen zu lassen, zeigte uns der Moment, als eine Hündin über einen Zaun sprang und mit dem Fuß hängenblieb. Ich habe es gemerkt, weil ich einen Hund seltsam Heulen hörte. Der Fuß war verbogen, aber die Hündin ließ sich von mir vollkommen ruhig aus ihrer Lage befreien. Ich habe sie ins Haus getragen, sie hingelegt und ich konnte mir den Fuß genauer ansehen. Sie wehrte sich nicht, weil sie einfach wusste, dass sie sich anfassen lassen muss. Ja, der Tierarzt war hier vonnöten. Der Fuß war gebrochen und völlig verbogen. Beim Tierarzt wurde ihr eine Schiene angelegt, was bestimmt schmerzhaft war, aber die Hündin blieb ruhig. Meine Hand bei ihrem Kopf und ich sagte ihr immer nur, dass ich da bin. Natürlich hatte sie Angst, war gestresst und das Einzige was sie tat … sie pinkelte auf den Behandlungstisch. Mehr nicht. Niemand nahm ihr das Übel. Der Fuß verheilte komplett und die Hündin läuft heute einwandfrei und ohne Probleme. Sowas ist aber nicht möglich, wenn sich ein Hund gegen das Anfassen generell schon wehrt. Stresssituationen sind immer eine Herausforderung. Aber es erleichtert einem das Leben, wenn der Hund damit umgehen kann.

Muss ich dem Hund jetzt mal ins Fell packen, ihn aus irgendeiner Situation befördern oder einfach nur festhalten, wäre es gut, wenn Hunde das können.

Dein Hund hat den Rückruf versemmelt, ist zu dem anderen Hund hingelaufen, aber es zeigt sich, dass die beiden sich gar nicht so wirklich liebhaben. Hier kann es helfen, ins Fell zu greifen und den Hund aus der Situation zu holen. Wäre aber gut, wenn der Hund sich nicht umdreht und Herrli oder Frauli beißt.

Heutzutage erlauben Menschen keine Fehler. Hunde sind aber nicht fehlerfrei, deren Halter auch nicht. Es kann immer zu Konfliktsituationen kommen, die schneller beendet wären, wenn man nicht so herumeiern würde. Hunde, gerade große Hunde, sollen und wollen geführt werden, weil das für sie Sicherheit bedeutet. Sie müssen selbst nicht nachdenken, keine Entscheidungen treffen und können sich auf ihren Boss verlassen. Dazu muss der Boss aber ein Boss sein. Ich bin immer der Chef, der Hund immer der Knecht. Der Knecht ist sehr oft glücklich, der Knecht zu sein, weil der Chef weit mehr Verantwortung trägt und Entscheidungen treffen muss, um die sich der Knecht keine Sorgen zu machen braucht. Ich sagen, du machen. Hunde lieben dies, denn es bedeutet, dass sie einen Leader haben, dem sie vertrauen können. Beginnen Menschen allerdings ihre Hunde zu verniedlichen, ihnen Dinge abzuverlangen, die sie gar nicht liefern können, oder auch für absolut dumm zu verkaufen, stellen sie ihre Tiere auf Augenhöhe, weil das in einer Familie so ist, dann läuft eindeutig was schief, weil der Hund in dieser von Menschen gemachten Hierarchie seinen Platz gar nicht finden kann und sich dann selbst eine Lösung sucht. Mit dieser Lösung tauchen dann meist hunderte Probleme auf, die nur der Mensch hat, denn Hunde haben keine Probleme. Sie machen sich keine, sondern tun das, was für sie in Ordnung erscheint.

Fragen? Ihr wisst ja, ihr dürft mich immer anschreiben. Egal, mit welcher Hunderasse, mit welchem Problem. Ich kann nicht immer helfen, aber manchmal doch, und wenn damit so ein blödes Problem gelöst ist, was wollen wir mehr. Aber vielleicht helfen diese Zeilen auch schon ein bisschen. Und wenn du grundsätzlich anderer Meinung bist, ja auch gut. Aber ich wette, du hast nicht ganz so viele Hunde wie ich.