Morgens Agility, mittags Obedience, abends drei Stunden Joggen; dreimal pro Woche Dog-Dancing, zweimal Man-Trailing und am Wochenende Fährtenlegen mit Freunden- schon beim Lesen wird man müde. Dazwischen: trainieren, üben, trainieren, üben, gehorchen, trainieren, parieren!
Ein Hundeleben beginnt mit dem Welpenkurs, wird dann vielleicht ergänzt durch eine Spielgruppe beim Tierarzt, anschließend besucht der Hund die Hundeschule für Grundgehorsam, eventuell parallel dazu Schutzausbildung, Rettungshundeprüfung, Fährtenlegen oder Treibballkurse. Später folgen zeitintensive Fortgeschrittenenkurse (Gehorsamkeitsdrillprüfung eins bis vier), an denen auch in der „Freizeit“ von Hund und Mensch unentwegt weitergebastelt wird, wenn nicht gerade Frisbee, Flyball oder Hundeyoga, Hundegruppenwandern, Hundewaschanlage oder Dog-Joggen auf dem Stundenplan stehen. Zwischendurch ein Ausritt zum Tierpersonaltrainer und Millan& Co tun das Übrige dazu, um Vierbeiner ständig auf Trab zu halten, mit „Ratschlägen“ wie möglichst kilometerweit neben dem Rad herrennen, auf dem Laufband trainieren, um den Hund gründlichst zu erschöpfen, bis er endlich ohne Puste so flach auf der Matte liegt, dass er nicht mehr piep sagen kann, das ist das Grundkonzept dieser „Hunde-Flüsterer“ und leider der Alltag vieler Hunde.
Dadurch werden Hunde aber weder glücklich noch entspannt, sondern sind im hohen Maße überfordert.
Hunde sind soziale Wesen. Sie lieben es, wenn man sich mit ihnen beschäftigt und viel Zeit mit ihnen verbringt, aber immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie lieben es nicht, ständig gestresst und hochgepusht zu werden und nie mehr zur Ruhe zu kommen.
Hunde brauchen weit mehr Ruhepausen, als der Mensch denkt. Sie schlafen tagsüber gerne stundenlang, sie rennen nicht gerne kilometerweit an der Leine über gühend heißen Asphalt (Test: Handrücken im Hochsommer auf den Asphalt drücken: ist es zu heiß? Wenn Ihre Hand dabei weh tut, besteht Verbrennungsgefahr für die empfindlichen Hundepfoten!), sie fahren nicht gerne im glühenden Backofen eines überhitzten Autos in den Urlaub, um dort an einem ebenso heißen Strand zu hocken oder sich in einem Hotelzimmer eingesperrt zu langweilen, sie stehen nicht auf eisgekühlte Klimaanlagen im Auto, die ihnen Ohrenschmerzen, Augenentzündung und Verkühlung bescheren und sie wollen auch nicht dauerbeschäftigt überall hin mitgenommen werden, weder auf Weihnachtsmärkte noch in überfüllte Einkaufszentren.
Werden Hunde aus einem Tierheim geholt, muss man ihnen unbedingt ein paar Wochen zum Ankommen geben, ohne sie sofort in diese Maschinerie zu stecken! Denn genau dadurch werden sie aggressiv, ängstlich, noch mehr traumatisiert oder krank. Dies zu vermeiden, wäre ein Leichtes und es liegt am Besitzer, sich darüber klar zu werden.
Immer mehr Hunde werden immer öfter krank und leiden an ausgeprägten Stresssymptomen. Burn-out ist auch bei Hunden längst kein Fremdwort mehr. Andauernder Stress macht ernsthaft krank. Genau wie beim Menschen wird auch im Hundeorganismus durch Stress Cortison ausgeschüttet, um den Körper einsatz-und fluchtbereit zu machen. Dabei wird das Immunsystem gedrosselt und der Organismus anfällig für Krankheiten. Magengeschwüre, chronische Durchfälle, Allergien und Bandscheibenvorfälle, überbeanspruchte, zu früh oder zu schnell beanspruchte Gelenke sowie Atopien, Hautprobleme oder Verhaltensprobleme sind typische Krankheitssymptome der Langzeitüberforderung. Es spielt überhaupt gar keine Rolle, ob es sich um positiven oder negativen Stress handelt. Zuviel davon ist grundsätzlich immer schlecht.
Dabei könnte alles so einfach sein. Es wäre völlig ausreichend, dem Hund ein paar einfache Dinge beizubringen: ein „Sitz“ und „Bleib“, ein „Komm her“ reichen schon, ausgedehnte Spaziergänge in der freien Natur, ohne Hektik, ohne Gerucke und Gezerre an der Leine, auf Wegen, die dem Hund angenehm sind und wo er ausreichend Zeit zum Schnüffeln hat. Das macht den Hund glücklich, nicht ein Vollzeitstundenplan, der fast einem Manager gerecht wird und den Hund überfordert und erschöpft.
Der Hund ist ein schlaues Lebewesen, er kann den Menschen auch ohne gebrüllte Militärkommandos verstehen. Anstatt sich an seiner Gegenwart zu erfreuen, sieht es oft so aus, als versuchte der Hundebesitzer von heute seinen Hund möglichst schnell fertig zu machen, psychisch genauso wie physisch.
Auch diverse Hundezonenbesuche machen nicht alle Hunde froh. Es hat sich noch nicht unter allen Hundebesitzern herumgesprochen, dass Hunde „es“ sich nicht untereinander ausmachen. Hunde erwarten ein menschliches Eingreifen, wenn die Situation brenzlig wird. Überlässt man Regulierungsmaßnahmen hingegen dem Vierbeiner, wird er es zwangsläufig darauf ankommen lassen und „es“ nach der Hundemethode regeln. Hier gewinnt der Stärkere, der Größere, der Jüngere, der Schnellere und der mit den größten Beisserchen und der besten Kondition. Der Schwächere kann dann statt Spielen zum Veterinär seines Vertrauens gebracht werden, so er es überlebt. Das müsste nicht sein.
Genauso verhält es sich auch mit der Angs. Einen ängstlichen Hund zu ignorieren und ihn mit seiner Panik alleine zu lassen, zeugt von mangelnder Führungsqualität des Menschen.
Ein guter Hundeführer schätzt seinen Hund als Familienmitglied und behandelt ihn auch so. Denn seine Familie schickt man auch nicht alleine aufs Meer hinaus und sieht aus der Ferne dabei zu, wie jemand aus ihnen Fischfutter macht.