Hilfe, mein Welpe ist böse

 Ein Welpe ist nicht böse, das ist noch ein Baby. Viele werden mit da recht geben. Wie kann ein Welpe, der gerade mal acht, neun oder zehn Wochen alt ist, böse sein? Ein Unding!

Wirklich?

Nun, früher, zu Zeiten wo meine Großmutter noch lebte, war das wirklich ein Unding. Die Leute hatten noch Gefühl für Tiere, die waren nicht so „angeschissen“ und selbst ein Welpe hat sich dann und wann mal eine Ohrfeige geholt. Man fasste Hunde, auch Welpen, noch sicher an und wusste um die Sache mit knurren, bellen, beißen, Dinge stehlen und Hosenbeine attackieren. Man ging damit um, ohne es wirklich gelernt zu haben und verschaffte sich Respekt.

Heute sieht die Sache ganz anders aus. Ich als Züchter sehe das immer wieder. Natürlich habe ich auch mit Ersthundebesitzern zu tun. Menschen, die ihren allerersten Hund bei mir kaufen. Und wer jetzt schreit … wie kann man nur einen Sandros einen Ersthundebesitzer geben … he, wie kann man einen Cocker Spaniel einem Ersthundebesitzer geben, oder einen Chihuahua, oder einen Collie, oder einen Dackel, oder, oder, oder. Es gibt keinen Hund, der sich bestens für Ersthundebesitzer eignet, da jeder Hund seine eigene Persönlichkeit hat und … scheiße, das Ding lebt.

Viele Ersthundebesitzer, meistern ihre Sache erstaunlich gut, stellen viele Fragen, die aber normal sind. Alles gut. Wer Fragen stellt, will lernen.

Dann gibt es aber auch solche, die behaupten, Hundeerfahrung zu haben. Ich kann das nicht kontrollieren, will ich auch gar nicht, denn das sind alles erwachsene Menschen … aber manchmal sind die Vorstellungen, die so manche Menschen haben, eher etwas seltsam.

Lasst mich einige Beispiele anführen:

Manche fassen ihren jungen Hund an, als wäre er aus wertvollstem Porzellan

(Och, ich sage denen schon, he, greif zu, das Teil zerbricht net)

Manche erklären mir ganz genau, wieviel Gramm Futter der Hund täglich bekommen wird, welche Futtermischung oder welches Trockenfutter.

(Deckt sich zwar oft nicht mit dem, was wir füttern und man muss diese Leute darauf aufmerksam machen, dass man Gewohnheiten des Hunde beachten sollte und die Menge sich nach dem Hund richtet, nicht nach einem Lehrbuch)

Es wird mit erklärt, wie viel der Hund gehen darf.

(Und werden eher ungehalten, wenn ich dann meine, naja, wenn dem Hundi dann fad wird, sucht er sich dann die Couch, um sie ordnungsgemäß zu zerstören)

Dann kommt, Hunde dürfen kein rohes Fleisch fressen, davon werden sie blutrünstig.

(Der Schwachsinn hält sich hartnäckig)

Und es kommt immer noch die Meinung, dass ein Welpe zuerst lernen muss, aufs Welpenklo zu gehen, bevor er hinaus geht.

(Manche muss man draufkommen lassen, trotz Aufklärung)

And so on, and so on …

 

So, das Welpi mit acht oder neun Wochen wird vergeben und die Menschen steigen glücklich in ihr Auto, um den Wuff nach Hause zu transportieren. Dass man da oft mit Katzentransportkörben oder kleinen Schachteln daherkommt, in der Hoffnung, der Hund würde da rein passen, ist normal. Zerschlägt sich sofort, wenn ich diesen Leuten einen acht Kilo Hund in die Hand drücke und keine zwei Kilo Katze.

Okay, die Leute fahren nach Hause und ich durchdenke als Züchter nochmal das Gespräch. Habe ich alles gesagt, habe ich genug Infos mitgegeben, habe ich alles erklärt, manchmal nicht einfach, denn gerade jene Leute, die behaupten, sie wissen eh, wie man mit einem Hund umgeht, sind die, die es dann doch nicht so wirklich können, bis der Anruf schließlich kommt, der sich doch dann und wann wiederholt und denselben Inhalt hat.

Das Hundebaby, dass man vorsichtig und liebevoll hinausgetragen und wie ein rohes Ei behandelt hat, knurrt.

Halt!

An dieser Stelle mache ich jetzt mal eine kurze Pause, denn ….

 

  

(Welpen, die wie Babys gebadet, mit einer Windel versorgt und dann in Kleidung gesteckt werden, ganz ehrlich … mir kommt das Kotzen)

Das ist oft die Vorstellung. Ein kleiner, niedlicher Welpe, der er zweifelsohne ist, muss wie ein Baby behandelt werden. Gewaschen, gewickelt und angezogen. Vielleicht ist das jetzt ein wenig drastisch dargestellt, aber es ist so. Gewisse Leute erwarten sich einen süßen Hund, der … keine Ahnung … auf der Couch sitzt oder in seinem Bettchen schläft und quäkend vermeldet, dass er Hunger hat, sodass man ihm dann … vielleicht die Flasche geben kann? Ich kriege gerade Pickel, denn ungelogen … manche Leute haben diese Vorstellung.

Jetzt kommt dieses Welpi nach Hause, und oh Gott, dieses kleine, niedliche Tierchen marschiert rotzfrech durch die Bude, pinkelt auf den Teppich und beginnt nach einer Zeit auch ziemlich munter zu spielen, zu stehlen und zu beißen. Er rennt hinter seinen Menschen her, auch hinter den Menschenkindern, zwickt in Hosenbeine, Fersen, Füße, auch Hände und findet es superwitzig, wenn dieses Kind dann schreit, denn die spitzen Milchzähne tun einfach weh. Ah, der Welpe hängt noch eins hinten dran, beginnt an der Kleidung zu zerren, angespornt durch das Geschrei des Kindes, knurrt, reißt, zieht den Kopf hin und her, bellt, lässt los, um aufs Neue zu attackieren, weil das Kind jetzt davonläuft, immer noch schreit und das Fangenspiel einfach total super ist. Jetzt kommen Erwachsene ins Spiel und versuchen das „aggressive“ Welpi an seinem Tun zu hindern. Manchmal kommt bei mir die Vorstellung mit einem hoch erhobenen Finger und einem du,du,du. Fruchtet dieses nicht, versucht man auf andere Weise den Welpen zu maßregeln. Mir wird tatsächlich erzählt, dass man den Welpen anknurrte, anbellt, ihm etwas vorwinselt, ihm die Schnauze zuhält, so tut, als ob man ihn angreift, ihn wegscheucht … ich stelle mir das recht witzig vor. Herrli sitzt knurrend und Zähne zeigend vor seinem zehn Wochen alten Welpen, der ihn schief anschaut und das ganze so witzig findet, dass er ihm ins Gesicht springt und in die Nase beißt. Mit wird dann erzählt, man hätte alles versucht und der Welpe zeigt eine nie dagewesene Aggression, was absolut nicht normal sein kann.

Wird der Welpe zurückgegeben, weil er eben so aggressiv ist, zeigt man mir voller entsetzen eine oder zwei, mal auch mehrere kleine Wunden, Kratzer und ich frage mich dann … na, habt´s eh den Notarzt verständigt?

Ich möchte mal eines festhalten, was vielleicht nicht verstanden wird. Welpen sind keine Babys. Kein Welpe kann man mit einem Säugling gleichstellen, denn der Welpe frisst bereits selbständig, geht allein von A nach B, spielt mit seinen Geschwistern, tobt rum, was ein Säugling ganz sicher noch nicht macht und er knurrt und bellt auch, weil das zur natürlichen Lautäußerung dazugehört. Ein Welpe spricht nunmal nicht. Auch das Beißen gehört zu seinem natürlichen Verhalten. Damit erprobt der Welpe im Spiel mit Geschwistern seine Kraft, seine Stärke und die Grenze, wann es auch ihm wehtut, denn schließlich haben Bruder oder Schwester auch Zähne und benutzen sie auch. Ein Welpe hat keine Finger, weswegen er alles beleckt, bekaut, auch zerstören will und benutzt diese Zähne eben auch zum Spielen, weil er eben nichts anderes hat. Spitze Milchzähne tun weh, keine Frage, aber ein Welpe mit zarten zehn Wochen ist nicht aggressiv oder gar böse, wenn er seine Zähne benutzt, Spaß empfinden, die menschliche Reaktion als noch witziger wahrnimmt und sich dann hineinsteigert. Spielen bei Welpen sieht eben so aus. Sie sind weder zart noch vorsichtig noch umsichtig noch wissen sie, wann es schmerzhaft wird. So ein Welpe weiß genaugenommen gar nichts. Er weiß auch nicht, dass es eine Maßregelung ist, wenn er angeknurrt oder angebellt wird, hält man ihm die Schnauze zu, findet er das allenfalls lästig und schnappt vielleicht spielerisch nach der Hand, die das gemacht hat, weil er auch nicht weiß, dass der „Schnauzengriff“ eine Maßregelung ist. Er kennt die Kommunikation nicht. Woher auch? Es ist ihm nicht angeboren. Er muss lernen, was es bedeutet, wenn zum Beispiel ein Althund bedrohlich knurrt, weil ihm der Welpe auf den Senkel geht. Althunde drohen nicht lange, sie beißen hin, auch schon mal grob, was den Erfolg hat, dass er Welpe kreischen davonläuft. Das, was er Althund wollte. Seine Ruhe. Jetzt hat das Welpi Zeit nachzudenken, was da passiert ist, tut es vermutlich auch und wird das nächste Mal, wenn er angeknurrt wird, dieses Wissen heranziehen. „Moment, wenn die Tante knurrt, kriege ich eine aufs Dach, also halte ich mich lieber zurück.“

Jetzt gehen aber Hundebesitzer davon aus, dass der Welpe das alles schon weiß, denn er ist ja ein Hund und Hunde kennen ihre Sprache untereinander. Nun … ich kenne kein Kind, dass schon mit vollkommen ausgereifter Muttersprache auf die Welt gekommen ist. Ich konnte mich mit meinen Kindern, als sie geboren wurden, nicht unterhalten. Sie mussten die Sprache und deren Bedeutung mit der Zeit lernen. Ja, beim Welpen ist das nicht anders. Wenn ich jetzt so ein Welpi zuhause habe, der das Fangenspielen bei davonlaufenden Kindern witzig findet, nach Beinen schnappt und auch von dem Geschrei amüsiert ist, muss man ihm Grenzen setzen und ihm sagen: „Hallo, Freund, so geht das nicht.“ Woher soll es der Welpe denn wissen? Ihm laut „aua“ zu sagen, wird auch nicht ganz helfen, weil der Welpe das Wort „aua“ nicht versteht, aber man kann ihm in Verbindung mit einem verbalen Laut, zum Beispiel: „Diego, lass das,“ mal einen Klaps versetzten. Bitte, ein Klaps hat nichts mit Schlagen zu tun, tut vermutlich noch nicht mal weh, aber der Welpe erschrickt, reagiert und wenn man ihm beispielsweise ins Fell packt und zur Seite zieht, was ganz sicher unangenehm ist, wird er merken, dass was falsch läuft.

Jetzt gibt es viele Leute, die sagen, dass das grob ist, dass man dem Welpen Gewalt antut oder das schon an Tierquälerei grenzt. Gut, dann verhaften wir alle Rudelmitglieder als Tierquäler, denn Hunde sind untereinander auch nicht gerade zimperlich, sondern ziemlich resolut. Welpen werden, wenn sie im Rudel aufwachsen, öfter gezwickt, schon mal heftiger gebissen, gebeutelt und auch ganz unschön bedroht, weil sie es gar nicht glauben wollten. Althunde reagieren auf das Kreischen und Weglaufen des Welpen oder Junghundes, denn dass heißt für sie, okay, der Kleine hat verstanden, und lassen ihn sofort in Ruhe. Der Welpe hat dann Zeit nachzudenken, welches Verhalten diese Reaktion ausgelöst hat und wird die Reaktion vermeiden. Es war unangenehm, vielleicht sogar schmerzhaft, neeee, dem will man aus dem Weg gehen. Ist das jetzt auch Tierquälerei? Wir beobachten oft, wie unsanft Alttiere sind, denn unser Rudel MUSS funktionieren und die Alttiere dulden da kein Vielleicht und Eventuell und Naja. Wie soll der Welpe eine Grenze lernen oder begreifen, wenn es immer verwaschene Ansätze gibt, deswegen sind Althunde ziemlich direkt. Gerade im Rudel, da die Hierarchie einfach stimmen muss und besser der Welpe lernt es früher als zu spät. Deswegen ist es auch oft so schwierig, einen erwachsenen fremden Hund ins Rudel einzugliedern. Sie sprechen eine andere Sprache, kennen die Sitten nicht, haben von Hierarchie keine Ahnung und peng … irgendwann kommt es zur Rauferei, weil ein erwachsener Hund sich nicht mehr so gut formen lässt, wie ein Welpe. Diese Raufereien werden meist sehr unfair ausgetragen. Es stürzen sich viele Hunde auf diesen Einzelnen, der kaum eine Chance hat, und wenn man ihn nicht früh genug aus der Rauferei rausholt, überlebt er sich sicher nicht. Das Rudel sortiert aus. In der Natur wäre das auch so. Wölfe sind auch nicht zimperlich. Das Rudel muss funktionieren, trifft aber ein fremder Wolf auf das Rudel, kann das böse für ihn enden, wenn er nicht schnell genug das Weite sucht. Deswegen sind erwachsene Hunde in einem Rudel, wie es bei uns der Fall ist, nicht gerade zimperlich mit dem Jungvolk und die Welpen lernen recht schnell, wie Kommunikation funktioniert.

Der Einzelwelpe zuhause hat natürlich Narrenfreiheit, weil Menschen die Erziehung eines Welpen an menschlichen Maßstäben messen. Ich kann doch dem Welpen keinen Klaps geben …. Aber dieser Welpe wird größer und größer und wenn man ihm nicht früh genug beibringt, wie Respekt ausschaut, wann es besser ist, nachzugeben, zum Beispiel ein „nein“ als solches zu akzeptieren, wird das Zusammenleben schwierig. Es gibt viele Hunde, die ihren Menschen zwar ganz in Ordnung finden, sich bekuscheln lassen, sich Streicheleinheiten abholen, aber respektlos neben ihm her leben, was sich dann in gewissen Situationen äußerst, die oft nicht zur Freude der Besitzer sind.

Hund hängt in der Leine, weil er einen anderen Hund sieht.

Hund keift, weil der andere Hund auch keift.

Hund gebärdet sich wie Tarzan, weil er ein Reh gesehen hat und hinterher will, aber nicht kann, weil er angeleint ist.

Hunde, der nie abgeleint werden kann, weil er dann futsch ist.

Hund der nicht mehr reagiert, wenn er etwas sieht, was ihm interessanter erscheint.

Hund, der zieht wie der Henker, dass Frauli drei Meter lange Arme hat.

Hund, der kaum noch kontrolliert werden kann.

Es ließe sich vieles schon vermeiden, wenn man dem Welpen im Welpenalter schon Grenzen setzt, die auch spürbar sind, und das Zusammenleben mit einem Welpen funktioniert umso leichter, wenn man den Welpen nicht wie eine chinesische Prozellanvase anfasst. Der hält schon was aus und zerbricht nicht gleich. Zumal Welpe, die lernen, ein bisschen was auszuhalten, auch nicht sofort Zeter und Mordio schreien, wenn eine Zecke entfernt werden muss. In einer Tierarztpraxis mussten drei Leute einen tobenden Dackel festhalten, der einen Zeck an der Innenseite des Schenkels hatte, der vom Besitzer nicht entfernt werden konnte. Die Besitzerin stand daneben, hat in ihr Taschentuch geheult, weil der Hund in seiner Wut in allen Tönen gekreischt hat. Er trug einen Beißkorb, jemand hielt seinen Kopf, ein anderer die Beine, während der dritte versuchte den Zeck zu entfernen. Das Dackelgetier hatte im Höchstfall sechs Kilo, na vielleicht sieben, sicher nicht mehr. Drei Leute … hallo!!!

Sowas muss nicht sein.

Bitte, ein Welpe ist nicht aus Porzellan und ist auch kein Säugling. Er hat natürliche Verhaltensweisen, die man in richtige Bahnen lenken muss, weil ihm das nicht angeboren ist. Er weiß nicht, was Kommunikation ist, hat deshalb auch keine Ahnung, was los ist, wenn er angeknurrt oder angebellt wird. Das lernt er, weil die Reaktion unangenehm ist, denn dann hat so ein Welpe einen Grund, etwas zu lernen. Und wenn ich als Besitzer dann auch noch lernen, Disziplin, also einen geraden Weg dem Hund gegenüber einzuhalten, und mit ihm zu kommunizieren, anstatt ihn zu befehligen, dann ist die halbe Schlacht schon gewonnen.